Roter Riesling – die Erfolgsgeschichte hat gerade begonnen

Nein, in der Statistik des Deutschen Weininstitut taucht der Roter Riesling noch nicht auf – dafür bedarf es knapp 250 ha. Aber es besteht kein Zweifel: das 2014 auf unserem Symposium angepeilte Ziel von 50 ha ist schon weit überschritten. 50 ha waren damals als Ziel erhofft worden, weil dies eine Größenordnung ist, die weit über den „Versuchsanbau“ hinausgeht und die es erlaubt, professionelle Erfahrung mit einer Rebsorte im Weinberg wie im Keller zu gewinnen. Vermutlich hätten sich dies die Initiatoren in der Hochschule Geisenheim, Institut für Rebenzüchtung (Leiter Prof. Ernst Rühl; fachlicher Mitarbeiter: Hubert Konrad), nicht träumen lassen, als sie 2001 mit der züchterischen Bearbeitung dieser vergessenen Rebsorte begannen,

Die Zahlen 2020

Nach den jüngsten verfügbaren Zahlen liegt der Anbau in Hessen bei 40, 5 ha, davon ca. 23,5 ha im Rheingau und ca. 17 ha in der Bergstraße (mit 11 ha ist die Winzergenossenschaft dort der größte Anbauer). Reinhard Antes, Chef einer dort ansässigen Rebenzucht Firma, ist mit Recht stolz darauf, dass damit die Bergstraße als kleinstes deutsches Anbaugebiet relativ der unangefochtene Markführer beim Roten Riesling ist. Wirklich überraschen müssen aber die Zahlen aus Rheinland-Pfalz. Denn dort war ja der Rote Riesling – anders als in Hessen – als Folge der Orientierung auf reichtragende Sorten nicht zugelassen, bis 2018 endlich 2018 die Eintragung in die Sortenliste bei Bundessortenamt erfolgte. Auch SlowFood hat sich hier mehrfach engagiert – u.a. durch eine große Konferenz 2014 zusammen mit der Hochschule Geisenheim mit 250 Teilnehmern – damit der Rote Riesling bundesweit angebaut werden konnte. Die Geschwindigkeit mit der sich der Rote Riesling in Rheinland-Pfalz – insbesondere in den traditionellen Riesling-Gebieten Mosel und Pfalz -ausbreitete, zeigt jedoch wie unsinnig dies bürokratische Hemmnis war: 2020 waren bereits fast 35 ha bestockt (siehe Tabelle unten).

Die anderen Anbaugebiete lassen sich z.Zt schwer schätzen, nach vorliegenden Informationen über einzelne Winzer – etwa Bernhard Ellwanger aus dem Remstal, aber auch Sachsen und Saale Unstrut (siehe Liste Thomas Riedl) – sind die bestockten Flächen nicht mehr als ca 5 ha. Macht immerhin ca 80 ha – aber Tendenz klar steigend.

Erkenntnisse und Trends

Doch Zahlen sind nicht alles, interessant ist auch, welcher Stellenwert der Rote Riesling mittlerweile hat: So hat der Rheingauer Weinbauverband (als zukünftige weinrechtliche „Schutzgemeinschaft“ den Roten Riesling in die Liste der zulässigen Rebsorten zur Bezeichnung in Zusammenhang mit einer Einzellage aufgenommen. In dieser Liste für die Top-Qualitäten befinden sich natürlich Riesling und u.a. vier Burgunder-Sorten (darunter auch der Slow Food geförderte Frühburgunder, der ebenfalls zu den vergessenen historischen Rebsorten zählt).

Eine andere, 2014 noch offene Frage ist mittlerweile geklärt: wer war zuerst: der weiße oder rote Riesling ?? Da nur Mutationen von „rot“ zu „weiß“ beobachtet wurden, vermutete man den roten Riesling als den Ursprung. Genetische Untersuchungen des Julius-Kühne-Instituts (Geiweiler Hof) haben jedoch nachgewiesen, dass diese Farbmutation – die ja auch bei anderen Rebsorten vorkommt – nichts über den Ursprung aussagt, sondern auf eine genetische Besonderheit beim „Vater“ des Rieslings, dem Heunisch zurückzuführen ist. Danach ist also die weiße Variante des Rieslings der Ursprung. (Einzelheiten dazu auf der Website www.traubenshow.de der Rebenzucht Antes.)

Die Gründe dieser Erfolgsgeschichte wurden schon auf dem Symposium 2014 herausgearbeitet: neben der allgemeinen Notwendigkeit, die Biodiversität in der Monokultur „Weinberg“ zu erhöhen (die aber nicht den einzelnen Winzer unbedingt motivieren) haben sich vor allem die Vorzüge in der sich erwärmenden Welt bestätigt. Gerade in den letzten Jahren mit den extrem frühen Lese-Zeitpunkten war es eine Herausforderung, dass die weißen Riesling Trauben physiologisch reif wurden, bevor sie faulten. Der rote Riesling „fault“ wegen der dickeren Beerenhaut eine Woche später als der weiße – eine entscheidende Differenz für die die Aromabildung in dieser kritischen Phase. Auch hat sich die bessere Widerstandsfähigkeit für Trockenstress und Sonnenbrand bewahrheitet. Und erfreulicherweise verschmäht die Kirschessigfliege – sonst eine Plage für Rotweine – den Roten Riesling.

Im Keller hat sich bewahrheitet, dass der Rote Riesling im Durchschnitt 2 g mehr Extrakt aufweist (was immerhin 10% mehr Inhaltsstoffe bedeutet), ei ist also geschmacklich wahrnehmbar „fülliger“ und es ist daher offensichtlich kein Problem, im Markt im Schnitt ca. 2 Euro mehr pro Flasche zu erzielen als vergleichbare Qualitäten des weißen Rieslings.

Was sagen die Winzer??

Aber lassen wir die Winzer selber sprechen: Alle unsere Ansprechpartner berichten über interessante Gespräche mit den Kunden über diese historische Rebsorte und es gibt keine Schwierigkeiten, die Mengen auch zu verkaufen. Es soll ja auch eine Spezialität bleiben.

 Der Pionier für den Roten Riesling im Rheingau im Rheingau, Dr. Matthias Corvers, ist mit seiner damaligen Entscheidung heute noch sehr zufrieden: „Es macht Sinn, im Rheingau auch andere Spielarten des Rieslings, wie den Roten Riesling, einzuführen. Es zeigt den Varianten- und Geschmacksreichtum dieser Rebsorte und erlaubt mir so, den Kunden eine interessante, weil andere Geschmacksnuancen wiedergebende Variante des Rieslings anzubieten. Inwieweit der Rote Riesling mit dem Klimawandel besser zurechtkommt wird sich in der Praxis in den nächsten Jahren erweisen.

Peter Winter (Weingut Stiftung Georg Müller) hebt hervor: „wir haben sowohl im Weinberg wie im Keller viel gelernt – der Rote Riesling ist eben doch kein „normaler Riesling“, aber gerade das ist das Spannende: auch aus dieser Rebsorte exzellente Weine zu keltern. Und unsere Kunden verstehen auch, dass wir damit einen Beitrag leisten, den Weinbau auf den Klimawandel vorzubereiten“

Sebastian Hanka, Geisenheim, unterstreicht: „eines der interessanten Aspekte des Roten Rieslings ist seine dickere Schale – nicht nur wegen der größeren Robustheit, sondern auch wegen der Aromatik. Bekanntlich stecken die Aromen ja in der Beerenschale und dickere Schale heißt, mehr Möglichkeiten mit den aromatischen Komponenten beim Ausbau des Weines zu experimentieren und sehr eigenständige Geschmacksprofile zu erzeugen

Hinweise: Neben den Unterlagen zum I. Symposium Roter Riesling am 24.10.2014 in Geisenheim , die weitgehend noch immer aktuell sind, finden sich umfangreiche Materialien auf der Web-Site von Rebenzucht Antes Riesling, roter (traubenshow.de). Die aktuellen Zahlen aus Rheinland-Pfalz verdanke ich Bettina Lindner, Hochschule Geisenheim sowie der Liste von Thomas Riedl (siehe Anhang)